- Latein in der Sekundarstufe II -
Wer einmal sein Latein gelernt hat, weiß, was er "besitzt"!
In der Einführungsphase erwerben die Schülerinnen und Schüler bei ausreichenden Leistungen das Latinum, wobei hier durch die „Sonstige Mitarbeit“ in der Oberstufe nun 50 % der Note erbracht werden.
Die Grammatik ist zu diesem Zeitpunkt vollständig erarbeitet worden, der Wortschatz für die Lektüre der klassischen Autoren ist gelernt. Es kommt jetzt neben dem reinen Übersetzen noch stärker auf das Interpretieren der Texte an. Dies ist aber in allen Sprachen gleich – der Lateinunterricht schult den Blick auf die stilistischen und sprachlichen Merkmale von Texten. Davon profitieren unsere Schülerinnen und Schüler auch in den anderen Fächern, in denen sie mit Texten umgehen. Die Lateinschüler sind es gewohnt, sehr genau und intensiv Texte zu lesen und zu analysieren. So kommen ihnen die im Lateinunterricht erworbenen Kompetenzen auch in Deutsch oder in den Gesellschaftswissenschaften zu Gute.
Das erste Thema in der Einführungsphase lautet: „Welterfahrung und menschliche Existenz“ (Lehrplan Latein)
Wir lesen Dichtung an Hand von Texten aus den Carmina Burana, von den Autoren Phädrus und Martial, Ovid und Catull. Bei Ovid finden wir zum Beispiel den Mythos von Orpheus und Eurydike, von Dädalus und Ikarus, von König Midas, dem alles zu Gold wurde, was er berührte usw. Auch die Erzählung von Pyramus und Thisbe, auf die Shakespeare mit „Romeo und Julia“ zurückgreift, stammt aus der Feder Ovids.
Diese Mythen sind in Musik, Kunst und Literatur vielfach weiter bearbeitet und interpretiert worden und gehören zum europäischen Kulturschatz.
Die lateinische Dichtung ist nicht wie die deutsche Dichtung an Reime u. ä. gebunden, sondern orientiert sich an Silbenlängen. Dies erfordert oft etwas Knobelei, aber durch die klare grammatische Struktur sind lyrische Texte auch nicht schwerer zu übersetzen als epische.
Hier ist eine kleine Kostprobe des berühmtesten Verses des Dichters Catull:
ODI ET AMO. QUARE ID FACIAM, FORTASSE REQUIRIS. NESCIO SED FIERI, SENTIO ET EXCRUCIOR. |
Original des Catull |
Hassen und lieben zugleich muss ich – wie das? Wenn ich's wüsste! Aber ich fühl's, und das Herz möchte zerreißen in mir. |
Übersetzung des dt. Schriftstellers Eduard Mörike |
I hate and I love. – Why, you ask me. – I do not know. Yet I feel it and it hurts. |
Übersetzung der ndl. Band „Omnia“ |
Im zweiten Halbjahr beschäftigt man sich mit Briefen von Seneca, Plinius oder Cicero und dem Thema „Rhetorik“. Lateinische Briefe befassen sich wie bei uns auch mit Alltagsgeschichten, galten in der Antike aber als eine eigene Kunstform. Besonders berühmt ist der Brief des jüngeren Plinius über den Vesuv-Ausbruch im Jahre 79 n. Chr. Er gibt beinahe einen Live-Bericht über den Ausbruch, den er von der anderen Seite der Bucht von Neapel aus beobachten konnte und bei dem sein Onkel, der ältere Plinius, ein bekannter Naturforscher, ums Leben kann.
Das Thema Rhetorik spielt heutzutage eine große Rolle in Schule und Beruf. Der Lateinunterricht beschäftigt sich mit den antiken Grundlagen der heutigen Rhetorik und zeigt an Beispielen, welche Macht das Wort schon damals hatte. Cicero, dessen Aktualität fast unglaublich erscheint, überbrückt in seinen Schriften 2000 Jahre und zeigt immer wieder aufs Neue, was man mit Bildung und Redekunst erreichen konnte bzw. auch heute noch erreichen kann.